Historisch-Technisches Museum Peenemünde – Die Gegenwart des Größenwahns
Auf Reisen:Das Usedomer Kraftwerk Peenemünde mit den Förderanlagen ist das größte Industriedenkmal in Mecklenburg-Vorpommern. Auf einer Ausstellungsfläche von 5.000 Quadratmeter innen und dem zwölf Hektar großen Gelände wird die Geschichte Peenemündes, der Region und vor allem der Heeresversuchsanstalt der Nazis dokumentiert und gezeigt. Schon von weitem ist die Weitläufigkeit der Anlage mit mehreren Bereichen und Bauten zu erahnen. Alleine das 1942 fertiggestellte Kraftwerk blieb nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten und war auch in der DDR in Betrieb. Es steht stellvertretend für den Anspruch und den Antrieb des Dritten Reichs und der Wehrmacht, die das Raketenzentrum ab den 1930er-Jahre ausbauten. Die Architektur ist monumental, funktional und sachlich. Planer war (höchstwahrscheinlich) Hans Hertlein, der mehrere Bauten in Berlin-Siemensstadt entwarf sowie Umspannwerke, Industriebauten und Wohnhäuser. Der dreieinhalbgeschossige Stahlbetonskelettbau des Kraftwerkes Peenemünde ist verklinkert. Fensterbänder und Mauerblenden gliedern die Fassade des Maschinenhauses. Ein turmartiger Anbau überragt das Gebäude.
Die Bäderarchitektur von Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck mit den feinen, verschnörkelten Märchenvillen erscheint auf dem Gelände des Museums noch weiter entfernt zu sein als die Dreiviertelstunde Autofahrt von den prächtigen Badeorten. Innerhalb kurzer Zeit verwandelte die Wehrmacht ab 1936 das Areal mit einer Fläche von fast 25 Quadratkilometern zu einem Hochtechnologie-Standort des Naziregimes. Hier wurde für den Krieg geforscht. Hier wurden die sogenannten Vergeltungswaffen entwickelt, besser bekannt als V1 und V2. Hier gelang unter wissenschaftlicher Leitung des Physikers Wernher von Braun mit seinem Forscherteam der fehlerfreie Start einer V2.
Wiege, Wahnsinn, Warnung
Die Dauerausstellung mit den Exponaten, Erklärungen und der Gestaltung zeigt all das auf eine beklemmende und plastische Art. Denn der spektakuläre technische Durchbruch kostete das Leben und die Gesundheit tausender Kriegsgefangener. Ab 1943 kamen Häftlinge aus Konzentrationslagern dazu, die für die Produktion von Raketen arbeiten mussten. Wahnsinn und Genie erscheinen hier nah beieinander zu sein. Einerseits ging es um Gewaltherrschaft und Zerstörung der Feinde mittels der Massenvernichtungswaffe Rakete. Zugleich faszinieren Träume und Ideen der Visionäre und Wissenschaftler, denen es um ein Verkehrsmittel der Zukunft ging, um die Utopie der Fernrakete als künftiges Transportmodell. Nur wenige Schritte entfernt, prangt Adolf Hitler auf einem Ausstellungsplakat von 1937 und dem Titel „Gebt mir vier Jahre Zeit.“
Die sachliche Gegenüberstellung bei pointierter Auswahl der Exponate und dem passenden Einsatz von Multimedia-Elementen ist eine Stärke der Dauerausstellung (konzipiert und umgesetzt von der Agentur „Geschichte kompakt“). Gelungen ist auch die Sanierung mehrerer Gebäudeteile. 2013 wurde die Arbeit von AIU Architekten- und Ingenieurunion Stralsund GmbH in Zusammenarbeit u. a. mit Denkmalschutzbehörden und dem Metallrestaurator Wolfgang Hofmann mit dem „Europa Nostra Award“, dem Preis der Europäischen Union für das Kulturerbe, gewürdigt.
Erinnerung und Mahnung
Der Tag des offenen Denkmals stand 2013 unter dem Motto „Unbequeme Denkmale“. Es ging um Denkmale, die an Krieg, Unterdrückung und Gewaltherrschaft erinnern. Es sollte auch das Bewusstsein wach halten, dass es keineswegs selbstverständlich ist, in einer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft in Frieden zu leben. Insofern klingt das damalige Leitmotiv „Erinnerung und Mahnung“ nach einem Grundsatz für das kommende Jubiläumsjahr. 2021 wird das Museum, das ein „Ankerpunkt“ der Europäischen Route von Industriedenkmälern ist, 30 Jahre alt.
Historisch-Technisches Museum Peenemünde GmbH (HTM)
Im Kraftwerk, 17449 Peenemünde. Tel.: +49 (0) 38371 505 0. Öffnungszeiten April–Sep. 10–18 Uhr, Okt.–März 10–16 Uhr. Nov.–März: montags geschlossen. Dauerausstellung mit wechselnden Sonderausstellungen und klassischen Konzerten im Kraftwerk. Zudem regelmäßig Workshops, Camps und Vorträgen zur Geschichte des Areals. Gruppenführungen und Projekttage auf Anfrage.
Heeresversuchsanstalt Peenemünde mit dem Kraftwerk
Von 1936–1945 befand sich an der Nordspitze Usedoms die Heeresversuchsanstalt Peenemünde, das damals größte militärische Forschungszentrum von Europa. 1942 gelang unter der wissenschaftlichen Leitung von Wernher von Braun der weltweit erste Start einer Rakete ins All (V2). Es war ein spektakulärer und zugleich gefährlicher technischer Durchbruch und kostete Leben und Gesundheit tausender Kriegsgefangener. Zusätzlich kamen ab 1943 Häftlinge aus Konzentrationslagern dazu, die für die Produktion von Raketen arbeiten mussten. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging das Wissen der Forscher in den Besitz der Siegermächte über. Die V2 war die Grundlage für die moderne Raketentechnologie. Peenemünde war in der DDR Truppenstützpunkt und militärisches Sperrgebiet. Von den Versuchsanstalten blieb nur das Kraftwerk erhalten. Ab 1991 wurde es ein Informationszentrum. Pläne des Industriekonzerns Dornier für einen Raumfahrtpark Peenemünde mit Gastro- und Hotelkomplex wurden nicht verwirklicht. Seit 2000 wurde die Ausstellung kontinuierlich erweitert, hinzu kamen 2015 ein Glas-Fahrstuhl, der zur ebenfalls neu gestalteten Aussichtsplattform auf dem Dach des Museums führt. Zum 30. Geburtstags des Museum ist 2021 die Eröffnung einer neuen Dauerausstellung geplant. Das HTM ist ein "Ankerpunkt" der "Europäischen Route von Industriedenkmälern."