THE LINK to #RuhrKultur – Beton-Utopien und Kunstparks
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Wer die Sammlungen der Ruhr-Universität Bochum (RUB) besucht, macht mindestens ein halbes Dutzend Zeitreisen. Eine Exkursion geht in die Brutalismus-Utopie von Hentrich, Petschnigg & Partner (HPP) aus den Siebzigern mit dem „Hafen im Meer des Wissens“, so das architektonische Konzept von HPP, und mit Gebäuden, die Schiffe symbolisieren und die hier angelegt haben. Mein Eindruck von diesem Meer? Hohe und flache Bauten, Linien und Kanten, Treppen und Terrassen, Brücken und Stege. In diese rationale Betonlandschaft wurden vielerorts Werke von namhaften Künstlern in Form von Installationen, Reliefs und Wandmalereien integriert. Im Campusmuseum, das seit 1975 in der Universitätsbibliothek untergebracht ist, wird die Sammlung in ähnlich vielfältiger Art präsentiert. Dazu gehören die Antiken- und Münzsammlung sowie die Sammlung Moderner Kunst u. a. mit Arbeiten von Alberto Giacometti, Joseph Beuys, Gotthard Graubner, Richard Serra, Günther Uecker, Gerhard Richter und James Turrell. Die Präsentation ist ein Wechselspiel aus Nähe und Weite, aus Größe und Unscheinbarkeit. Vor allem ist es die Gegenüberstellung von Alt und Neu, von antiken Büsten und Malerei des 20. Jahrhunderts, das eine weitere Zeitreise darstellt. Der weitläufige RUB-Campus mit seinen 20 Fakultäten, der 520 Hektar-Größe und mit über 43.000 Studierenden wirkt innerhalb der Ausstellung zurückgenommen, sein Brutalismus bescheiden und beinah weihevoll.
Die nächste Reise geht gen Schlosspark von Haus Weitmar, südlich der Bochumer Innenstadt. Hier bestimmen gepflegte Einfamilienhäuser und getrimmte Vorgärten die Umgebung des Museums. Die Situation Kunst (für Max Imdahl) wurde 1990 Teil der RUB-Kunstsammlungen und spiegelt mit ihrer Architektur die Nachbarschaft mit Anbindung an ein Naherholungsgebiet wieder: viel Platz für Grün, der Bezug zur Natur und eine stille Vorstadtidylle, die einen Kontrast zum lauten Selbstbewusstsein des RUB-Campus bildet.
Kunst-Kontemplation in Bochum-Weitmar
Der Kunsthistoriker Imdahl (1925–1988) verfolgte den Ansatz, dass die „Erkenntnis in den Blick zu rücken, die ausschließlich dem Medium des Bildes zugehört und grundsätzlich nur dort zu gewinnen ist“. Der Galerist und Stifter Alexander von Berswordt-Wallrabe widmete Imdahl ein Museumsensemble, das sich mit einer neuen Ausstellungsmethode dem Ansatz des Kunstgeschichte-Professors näherte – auch mit Hilfe der Architektur, die in enger Beziehung zur Sammlung stehen sollte. Seit der Eingliederung in die Kunstsammlungen der RUB wurde das Ensemble mehrfach erweitert. Insofern ist ein Besuch der Situation Kunst auch eine Erkundung der unterschiedlichen Architekturkonzepte, die mit Peter Forth und dem Landschaftsgärtner Peter Schmidt begann über die Erweiterung (2006) von Soan Architekten bis hin zum Kubus, den die Münsteraner Architekten Pfeiffer, Ellermann und Preckel in die Ruine von Haus Weitmar setzten (2010). Das Museum unter Tage (MuT) von Vervoorts & Schindler Architekten ist die letzte Erweiterung des Ensembles und wurde 2015 eröffnet. Zu sehen sind in den einzelnen Bauten bedeutende Werke der Gegenwartskunst mit Gemälden, Zeichnungen und Objekten von Gotthard Graubner, Richard Serra und Maria Nordman sowie Installationen und Skulpturen u. a. von Gianni Colombo, François Morellet und Robert Rymann. Hinzu kommen Arbeiten zeitgenössischer Künstler aus Afrika und jahrhundertealte Skulpturen und Keramiken aus Ost- und Südasien. Wechselausstellungen finden im Kubus und im MuT statt. Der Weg zwischen den Museumsbauten des Ensembles, der hinausführt zur klaren Luft und zum Grün des Schlossparks komplettiert diese Reise, die im Brutalismushafen des RUB-Campus startete und in der Kunst-Kontemplation von Weitmar endet. Besser kann Kunst- und Architekturvermittlung nicht sein.
Concrete utopias and art parks
Ancient and modern, nature and architecture characterise the collections of the Ruhr Universität Bochum, which it presents at multiple locations in the city, sometimes in brutalist surroundings, sometimes in a finely structured cultural landscape.
Whoever visits the collection of the Ruhr Universität Bochum (RUB) makes at least a half-dozen journeys through time. One excursion goes into a brutalist utopia by Hentrich, Petschnigg & Partner (HPP) from the 70s, via the “Harbour in the Sea of Knowledge” (according to the architectural concept of HPP), and with buildings that symbolise ships that have docked here. My impression of this sea? High and flat buildings, lines and angles, steps and terraces, bridges and paths. In this rational concrete landscape, works by famous artists—in the form of installations, reliefs, and murals—have been integrated in many places. In the Campus Museum, which has been housed in the university library since 1975, the collection is presented in similarly varied forms. These include the antiquities and coin collections as well as the collection of modern art with, among others, works by Alberto Giacometti, Joseph Beuys, Gotthard Graubner, Richard Serra, Günther Uecker, Gerhard Richter and James Turrell. The presentation is an interplay between near and far, great size and invisibility. Above all, it is the juxtaposition of old and new, of antique busts and twentieth-century paintings, that represents another instance of time travel. The extensive brutalism of the RUB, with its 20 faculties, 520 hectares, and over 43,000 students, seems withdrawn, modest, almost solemn within the exhibition.
The next journey goes in the direction of the palace park of Haus Weitmar, south of Bochum’s inner city. Here, well-groomed single-family houses and trimmed front gardens make up the surroundings of the museum. Situation Kunst (für Max Imdahl) became part of the RUB’s art collections in 1990 and mirrors the neighbourhood with its architecture and its connection to a recreational area: lots of green space, a relationship to nature, and a quiet suburban idyll that creates a contrast to the loud self-consciousness of the RUB campus.
Artistic contemplation in Bochum-Weitmar
The art historian Imdahl (1925–1988) followed the approach of “focusing on the knowledge that belongs exclusively to the medium of the image and is fundamentally only there to be gained.” The gallerist and donor Alexander von Berswordt-Wallrabe dedicated a museum ensemble to Imdahl which would correspond to the art history professor’s method with a new mode of exhibition—and with the help of an architecture meant to have a close relationship with the collection. Since its integration into the art collections of the RUB, the ensemble has been greatly expanded. Thus, a visit to Situation Kunst is also an exploration of different architectural concepts, from the 2006 expansion begun by Soan Architekten, with Peter Forth and the landscape architect Peter Schmidt, to the cube that the Münster-based architects Pfeiffer, Ellermann und Preckel, set into the ruins of Haus Weitmar (2010). The Museum unter Tage (Underground Museum, MuT) by Vervoorts & Schindler Architekten is the latest extension of the ensemble and opened in 2015. There, in the individual buildings, one can see important contemporary artworks, with paintings, drawings, and objects by Gotthard Graubner, Richard Serra, and Maria Nordman, as well as installations and sculptures by Gianni Colombo, François Morellet, and Robert Rymann, among others. Additionally, there are works by contemporary African artists and hundred-year-old sculptures and ceramics from East and South Asia. Rotating exhibitions take place in the cube and the MuT. The path between the museum buildings of the ensemble, which leads out into the clear air and the green of the palace park, completes this journey, which started in the brutalist harbour of the RUB campus and ends in the artistic contemplation of Weitmar. The exchange between art and architecture could not be any better.
Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum Campusmuseum. Sammlung Moderne.
Situation Kunst (für Max Imdahl)
sind Teil der dichten Museumslandschaft der Metropole Ruhr und des Netzwerks der RuhrKunstMuseen. Es besteht aus zwanzig Kunstmuseen und wurde anlässlich des europäischen Kulturhauptstadtjahres RUHR.2010 gegründet. Das Netzwerk steht für eine Museumslandschaft mit nationaler und internationaler Ausstrahlung und der weltweit größten Dichte moderner Kunst. Der Schwerpunkt liegt auf der Kunst vom 19. Jahrhundert über die Moderne bis zur Gegenwart. Über fünfzehn Städte hinweg erstreckt sich ein zusammenhängendes Netz von hochkarätigen Sammlungen, untergebracht in Industriebauten, Schlössern, herausragenden Architekturen der Nachkriegsjahrzehnte und spektakulären Neubauten.
Campusmuseum
Adresse und Öffnungszeiten
Universitätsstrasse 150, Forumsplatz, D-44801 Bochum. Di.–So. und an Feiertagen 11–17 Uhr. Montags geschlossen. Eintritt frei
Architekten
Hentrich, Petschnigg & Partner (HPP), Gesamtplanung und Fertigstellung des Forumsbereich mit Bibliothek, Verwaltung, Audimax und Mensa: 1974. Die Universitätsbibliothek sowie die alte Mensa: Bruno Lambart.
Situation Kunst (für Max Imdahl)
Adresse und Öffnungszeiten
Schlossstr. 98, D-44795 Bochum-Weitmar. Mi.–Fr. 14–18 Uhr, Sa. + So. und an Feiertagen 12–18 Uhr.
Architekten
Peter Forth mit Landschaftsgärtner Peter Schmidt, 1990. Erweiterungen durch Soan Architekten (2006) und Pfeiffer, Ellermann und Preckel (Kubus im Haus Weitmar, 2010) sowie Museum unter Tage (MuT), 2015 durch Vervoorts & Schindler Architekten