Die Architektur der Universitätsstadt – Die Ideengeber der Idealstadt
Die Tradition
In unserem Architekturfeature Stadt der Schichten haben wir den aktuellen Bauboom in Karlsruhe beschrieben. Dort beleuchteten wir die Nachkriegs- und Postmoderne sowie die Bauten ab 1990 bis heute. Bauen ist fester Teil der DNS dieser Stadt, die 1715 als barocke Planstadt gegründet und dessen Entfaltung maßgeblich von Baumeistern und Planern vorangetrieben wurde, die eines gemeinsam hatten: die Verbindung zur Hochschule und zu Akademien in Karlsruhe. Universität und Architekturfakultät wurden 1825 gegründet. Seitdem haben Architekten wie unter anderem Friedrich Weinbrenner, Heinrich Hübsch, Hermann Alker und Egon Eiermann eine wichtige Rolle gespielt.
Die Baumeister
Sie prägten die Hochschule, Aussehen und Struktur von Karlsruhe und nachfolgende Architektengenerationen. Alleine Friedrich Weinbrenner, der Planer des Rathauses und der Pyramide auf dem Marktplatz, hat über 100 Schüler ausgebildet, darunter Heinrich Hübsch, der Weinbrenner als Leiter der badischen Baudirektion folgte. Dieser wiederum beeinflusste Schüler und Kollegen mit seiner Philosophie, die effiziente Konstruktion, sinnliche Erscheinung und ganzheitliche Gestaltung verband. Karl Friedrich Schinkel in Berlin nahm sich an Hübsch’ Auffassung und dessen Ziegelarchitektur ein Beispiel.
Mit dem Karlsruher Architekten Hermann Reinhard Alker setzte ein weiterer Hochschullehrer mit dem Alker-Block ein Zeichen. Der Wohnblock war konservativ und modern zugleich, da er Elemente der Neuen Sachlichkeit mit den Grundformen der klassischen Blockrandbebauung verknüpfte. Zuvor hatte er mit der Tribüne des Hochschulstadions der TU eines seiner schönsten Projekte umgesetzt. Ein Ziegelsteinbau, der klar und sachlich wirkt und bei näherer Betrachtung in seiner detailverliebten Vielfalt überrascht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war es Egon Eiermann, der an der Universität seine Schule der modernen Architektur etablierte. Hier lehrte er fast ein Vierteljahrhundert lang. Er zählt zu den bedeutendsten Architekten der Nachkriegsmoderne in Deutschland. In den 1930er-Jahren wurde er durch den Bau moderner Villen bekannt. Nach 1945 realisierte er zahlreiche Projekte im Stil der Nachkriegsmoderne, z. B. die Weberei in Blumberg, den Deutschen Pavillon auf der Brüsseler Expo 1958 (mit Sep Ruf) und den Neubau der zerstörten Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin.
Ab den 1960er-Jahren stieg die Zahl der Studierenden stark an, so dass es in der Hochschul-Architektur große Veränderungen gab. Neue Lehrstühle und Fakultäten mit neuen Forschungsgebieten kamen hinzu mit markanten Bauten wie z. B. die Türme der Chemischen Institute von Schmitt Kasimir Partner (Fertigstellung 1967) oder die Pädagogische Hochschule und die Fachhochschulbauten von Erich Rossmann, Anton Elsässer, Werner Groh, Theo Kause und Günther Seemann (1968) im Stil des Brutalismus.
Auch nach der Eiermann-Ära lehren und lehrten renommierte Professoren an der Universität, z. B. der niederländische Städteplaner Jo Coenen, der Schweizer Architekt Fritz Haller und Arno Lederer aus Stuttgart, der mit dem Büro Lederer Ragnarsdóttir Oei u. a. das Kaiserkarree (2011) und ein Wohn- und Geschäftshaus (2013) in Karlsruhe realisierte. Neue Projekte wie die Mensa von Jürgen Mayer H. (2006), der Multimediakomplex der Hochschule für Musik (2013) oder der Firmensitz von Weisenburger Bau von Pritzker-Preisträger Tadao Ando (im Bau) zeugen von der dynamischen Entwicklung in der Fächerstadt.
Die Fakultät für Architektur will weiterhin Wert auf eine breite, vielschichtige und zeitgemäße Lehre legen. So kooperiert man (teils seit Jahren) mit Kunst- und Kulturinstitutionen wie dem ZKM, der HfG Karlsruhe und der Erich-Schelling-Stiftung. Hinzu kommen über 50 internationale Partneruniversitäten in Europa und anderen Regionen. Grundsätzlich wird die Hochschullandschaft ein essentieller Bestandteil der Architekturzukunft Karlsruhe bleiben, gerade jetzt inmitten des Baubooms. Schließlich ist die Bau-DNS fester Teil der „Idealstadt“.
KIT – Karlsruher Institut für Technologie
Das KIT ist die größte Universität von Karlsruhe. Die Elite-Uni wurde 2009 durch einen Zusammenschluss der Universität Karlsruhe und des Forschungszentrums Karlsruhe gegründet. Das KIT ist über mehrere Standorte verteilt, das Zentrum ist in der Innenstadt-Ost mit über 25.000 Studierenden und den großen Bereichen Ingenieurwissenschaften, Mathematik, Naturwissenschaften und Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Hinzu kommen die kleinere Fachbereiche wie Geistes- und Sportwissenschaften. Auf dem Campus-Gelände sind auch die Mensa und die KIT-Bibliothek. Das KIT ist eine Technische Universität des Landes Baden-Württemberg und ein nationales Forschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft.
Friedrich Weinbrenner
1766–1826, geboren und gestorben in Karlsruhe, Stadtplaner und Baumeister des Klassizismus. Absolvierte eine Zimmermannslehre im Betrieb seines Vaters. Studium der Architektur in Wien mit Studienaufenthalten in Wien, Dresden und Berlin. Weitere archäologische Studien in Rom, Pompeji und Herculaneum. Ab 1800 kehrte er nach Karlsruhe zurück, wo er schnell Karriere machte: als Badischer Baudirektor und als Leiter einer staatlich geförderten privaten Bauschule. Diese ging 1825 in der neu gegründeten Polytechnischen Schule Karlsruhe auf, der Vorgängerin der Universität Karlsruhe, dem heutigen Karlsruher Instituts für Technologie. Weinbrenner bildete über 100 Schuüler aus und prägte Architektengenerationen mit seinem „Weinbrenner-Stil“. Seine Hauptaufgabe jedoch bestand im Umbau der Residenz Karlsruhe in die Hauptstadt des Landes Baden. Wichtige Projekte (Auswahl): Rathaus (1825), Evangelische und Katholische Stadtkirche (1816 und 1814), Karlsruher Pyramide (1825) sowie weitere Bauten in Karlsruhe, Baden-Baden und anderen Städten.
Heinrich Hübsch
1795–1863, in Weinheim geboren, in Karlsruhe gestorben. Architekt, Hochschullehrer und großherzoglich badischer Baubeamter in Karlruhe. Studium an der Bauschule von Friedrich Weinbrenner und dessen direkter Nachfolger als Leiter der badischen Baudirektion, wo er von 1832–1854 lehrte. Wichtige Projekte in Karlsruhe (Auswahl): Bau der Polytechnischen Schule (1833), Kunsthalle (1846), Orangerie (1857). Weitere Bauten in Baden-Baden, Bruchsal sowie Sakralbauten u. a. in Wuppertal und Ludwigshafen. Seine Bauten, Schriften und Architekturauffassung (effiziente Konstruktion, sinnliche Erscheinung, Farbigkeit der Materialien und die Integration von Kunstwerken) hatten Einfluss auf andere Architekten wie z. B. Karl Friedrich Schinkel in Berlin und Friedrich von Gärtner in München.
Hermann Reinhard Alker
1885–1967, geboren in Lambrecht, gestorben in Karlsruhe. Deutscher Architekt. 1904–1911 Studium an der TH Karlsruhe u. a. bei Carl Schäfer und Friedrich Ostendorf. Er war Assistent im Büro Ostendorfs und vertrat ihn ab 1914 auch auf dessen Lehrstuhl. Ab 1913 war er als Baupraktikant in der Staatlichen Hochbauverwaltung tätig, ab 1918 Assistent bei Karl Caesar (1874–1942) an der Karlsruher Hochschule. Regierungsbaumeister ab 1919. 1920 promovierte er bei Walter Sackur (1871–1926) und habilitierte. Ab 1920/21 hatte er an der TH Karlsruhe einen Lehrauftrag inne, 1924 erhielt er eine außerordentliche Professur. 1935 wurde er von den Nationalsozialisten als einer von zwölf Durlacher Stadtverordneten eingesetzt. 1936 erhielt er den Kulturpreis des Gauleiters in Baden. Am 1. September 1937 wurde Alker von Adolf Hitler zum "Stadtbaurat mit besonderen Aufgaben" in München ernannt und übernahm die Leitung der "Sonderbaubehörde Ausbau der Hauptstadt der Bewegung". Auf Weisung Hitlers wurde Alker aber bereits am 27. Juni 1938 ohne Angabe von Gründen mit sofortiger Wirkung wieder entlassen. 1939 erhielt Alker eine ordentliche Professur an der TH Karlsruhe. Im selben Jahr erkannte man ihm den 1. Preis im Wettbewerb um einen Entwurf für das Funkhaus des "Reichssenders Stuttgart" zu, dieser Entwurf wurde allerdings nicht ausgeführt. Ab 1940 lehrte er in Nachfolge von Hermann Billing an der Karlsruher Hochschule. Wegen seiner NS-Vergangenheit wurde Alker von der Militärregierung am 30. Juni 1945 vom Hochschuldienst ausgeschlossen und 1950 nachträglich emeritiert. Im Nachkriegsdeutschland war er als freischaffender Architekt tätig.
Egon Eiermann
1904–1970, geb. in Neuendorf, gestorben in Baden-Baden. Architekt, Möbeldesigner, Hochschullehrer. Er gilt als einer der bedeutendsten Architekten der Nachkriegsmoderne mit der Betonung der Geometrien, Funktionalität und filigranen Präzision. Er war Professor an der Architekturfakultät der Technischen Hochschule Karlsruhe. Seine in Stahlskelettbauweise ausgeführten Industriebauten wurden zum Vorbild für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Projektauswahl: Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, 1963; deutsche Botschaft in Washington, D.C., 1964; Abgeordneten-Hochhaus des Bundestags in Bonn („Langer Eugen“), 1969.
Lederer Ragnarsdóttir Oei
Mehrfach ausgezeichnetes Architekturbüro mit Sitz in Stuttgart. 1979 gegründet und heute von Arno Lederer, Jórunn Ragnarsdóttir, Marc Oei geleitet. Projektauswahl: Sanierung und Erneuerung Staatstheater Darmstadt, 2006; Büro- und Geschäftshaus Kaiserkarree in Karlsruhe, 2011; Kunstmuseum Ravensburg, 2013.