Frühe Gesamtkunstwerke
Auf Reisen / Ausstellung:Die Gestaltung eines Gesamtkunstwerkes
Die Entwürfe von Arne Jacobsen für Projekte in Deutschland gehören zum Spätwerk des dänischen Ausnahmearchitekten. Mehrere wurden erst nach seinem Tod 1971 umgesetzt. Dass diese Gebäude fertiggestellt und uns erhalten geblieben sind, liegt an Otto Weitling. Er war als Angestellter zu einem wichtigen Kollegen und später zum Büropartner von Jacobsen aufgestiegen. In den 1970er-Jahren gründete Weitling zusammen mit Hans Dissing, ebenfalls ein hochrangiger Architekt bei Jacobsen, die Firma Dissing + Weitling. Diese macht sich einen Namen u. a. im Kultur- und Brückenbau, z. B. mit K20, der Kunstsammlung am Grabbeplatz in Düsseldorf mit der geschwungenen schwarzen Granitfassade (Fertigstellung 1986), die auch das Schmela Haus betreibt, das strukturalistische Studiohaus von Aldo van Eyck.
In Deutschland haben wir alle Projekte von Jacobsen und Weitling erkundet, seien es großmaßstäbliche wie das Forum Castrop-Rauxel, die kleine, elegante Glashalle in den Herrenhäuser Gärten in Hannover oder die Ferienanlage in Burgtiefe auf Fehmarn. Gerade die Bauten auf der Ostseeinsel scheinen wie eine Fortsetzung der „Meeresarchitektur“ in Klampenborg zu sein. Jacobsen hatte nach dem Architekturstudium und zu Beginn seiner Karriere mehrere Dutzend Einfamilienhäuser entworfen und umgesetzt. Mit den Arbeiten im Norden von Kopenhagen wurde er bekannt und leitete eine produktiv-kreative Phase seines Schaffens ein, die Entwürfe für Bürogebäude, aber auch bescheidenere Projekte umfasste wie die Tankstelle in Skovshoved. Das Großprojekt Bellevue mit Siedlung, Strandbad, Tankstelle, Theater und Restaurant plante er im Stil der weißen Moderne, teils mit Innengestaltung und mit dem Anspruch der Gestaltung einer in sich stimmigen Anlage – eines Gesamtkunstwerkes.
Die Machtergreifung der Nazis, der von ihnen ausgelöste Zweite Weltkrieg und die Verfolgung Andersdenkender hatte auch für den Juden Jacobsens Konsequenzen. Er floh nach Schweden und brauchte einige Zeit, bevor er den nächsten Abschnitt seiner Karriere einleiten konnte. Was sich bei dem Bellevue-Areal zeigte, präsentierte er einige Jahre später mit dem ersten Designhotel der Welt. Mehr dazu in Teil 2 über die Gesamtkunstwerke und großen (Bau)Gesten.
Bellevue und Bellavista
Das Außenministerium von Dänemark bzw. die dänische Botschaft in Berlin hat unsere redaktionell unabhängige Recherchereise teilweise unterstützt.
Arne Jacobsen
1902–1971, geboren und gestorben in Kopenhagen. Er gilt als einer der international bedeutendsten Architekten und Designer Dänemarks im 20. Jahrhundert. Seine Entwürfe waren vom modernen Funktionalismus geprägt und beeinflusst durch Ludwig Mies van der Rohe, Le Corbusier und das Bauhaus. Seine Architektur zeichnet sich durch eine klare, an Geometrie und Material orientierte Formensprache aus. Außerhalb Dänemarks hat er unter anderem die Siedlung Südliches Hansaviertel, das Rathaus von Mainz und die Hotelanlage am Südstrand von Fehmarn entworfen. Als Designer orientierten sich viele seiner Projekte an organische Formen, was auch mit seiner Naturverbundenheit zu tun hatte. Er war passionierter Botaniker.
Bellevue Strand, Klampenborg
Entwurf: Arne Jacobsen. Fertigstellung: 1932
Bellavista Wohnanlage, Klampenborg
Entwurf: Arne Jacobsen. Fertigstellung: 1934
Bellevue Theater und Restaurant, Klampenborg
Entwurf: Arne Jacobsen. Fertigstellung: 1936
Skovshoved Tankstelle, Skovshoved
Entwurf: Arne Jacobsen. Fertigstellung: 1936
Stelling Hus
Entwurf: Arne Jacobsen. Fertigstellung: 1937. Gammeltorv 6, Kopenhagen.